Einflüsse und Wirken …
Ein Text von Thekla Meusel
Das künstlerische Werk meiner Mutter ist untrennbar mit ihrem Leben verbunden.
Hiltrud Meusel, Jahrgang 1934, ist sowohl in der Zeichnung, der Malerei, der Dichtung als auch in der Musik ‚zu Hause‘. Hiltrud’s Eltern Gerda Maria geb. Türke und Friedrich Wilhelm Motte sind feingeistig. Die Mutter Gerda ist sehr musisch. Beide Eltern sind in der Wandervogelbewegung aktiv und in der Kriegszeit mit der weißen Rose verbunden. Der Vater Wilhelm Motte interessiert sich für Astrologie, Musik und Geisteswissenschaften. Auch zu Hause - am Höchsten Nr. 47 - wird viel und gemeinsam musiziert. In den letzten Kriegsjahren rettete Wilhelm Motte durch seine Tätigkeit als Sanitäter, unter Risikoinkaufnahme, vielen Soldaten und namhaften Personen seiner Zeit das Leben. 1948 entscheiden sich Gerda und Wilhelm in die Christengemeinschaft einzutreten. Der Großvater, der Bandwirkermeister Friedrich Motte, führt im Hof des Elberfelder Elternhauses die Bandwirkerei seines Vaters weiter. Er ist ein liebevoller und humorvoller Mensch; außerdem ein exzellenter Zeichner und Karikaturist. So wird es der talentierten Hiltrud besonders durch ihren Großvater – Opa Fritz, sehr früh zur Gewohnheit zum Bleistift zu greifen und zu ‚skribbeln‘. Mit dem 3½ Jahre älteren Bruder Walter ist sie lebenslang eng verbunden. Walter wird Mathematiker, Waldorflehrer, ist maßgeblich bei der Gründung neuer Waldorfschulen beteiligt und schreibt u.a. das Buch: ‚Gespräche in der Stille – Gedanken zur Kunst des Betens‘ (2006). Mit ihm wechselt sie zur neu gegründeten Wuppertaler Waldorfschule. Ihr Freundeskreis erweitert sich auch um Walters Jahrgangs- und Klassenkameraden. Mit vielen bleibt sie in lebendiger Freundschaft verbunden. Auch zum jüngeren Bruder Hartmut (geb.1939) besteht eine liebevolle Beziehung – Hartmut Motte wird Goldschmied. Mit Bruder Walter radelt sie zu Schulzeiten zu den anthroposophischen Jugendtagungen nach Bacherach am Rhein und nach Dornach zum Goetheanum in der Schweiz. Eine Klassenreise führt Hiltrud nach Frankreich – fasziniert zeichnet sie die Kathedrale von Chartres, den Mont-Saint-Michel u.v.a. in ihr Skizzenbuch. Später reist sie mit ihrem Ehemann Georg nach England, Israel, Frankreich, Österreich, Schweiz, Italien, Griechenland … Eine wichtige Lehrerin für Hiltrud an der Wuppertaler Waldorfschule ist Maria Christiane Benning (geb. 1923 – gestorben 1957). Vielen ist sie durch ihre Bücher über die Keltische Mythologie und als Lyrikerin bekannt. Zur Wuppertaler Werkkunstschule hat Hiltrud eine enge Verbindung. Kunstunterricht hat sie bei dem Maler Walter Bernuth und bei dem Architekten, Maler und Bildhauer Heinrich Röder. Aus der Werkkunstschule entstehen später die Fachbereiche der Gesamthochschule: Industrie Design, Grafik Design, Architektur, Bauingenieurwesen und Innenarchitektur. In Tübingen studiert Hiltrud u.a. bei Prof. Biese und Walter Jens, Kunstgeschichte und Germanistik (1954-1956). Sie verbringt viel Zeit am Neckar beim Hölderlin-Turm. Auch in ihren zeichnerischen und malerischen Arbeiten zeigt sich, dass sie sich mit vielen der großen Dichter und Philosophen ihrer Zeit intensiv beschäftigt hat. Zu den Büchern auf ihrem Schreibtisch, in die sie immer wieder hineinschaut und die sich auch in ihren Zeichnungen und Bildern widerspiegeln, gehören u.a. Rainer Maria Rilke, Else Lasker-Schüler, Annette von Droste-Hülshoff, Goethe, Schiller, Antoine de Saint-Exupéry, Hölderlin, Novalis, Angelus Silesius, Shakespeare, Dostojewski, Nietzsche, Christian Morgenstern, Werner Bergengruen, Christine Lavant, Elfriede Jelinek, Mascha Kaléko, Hilde Domin, Bertolt Brecht und weitere. Ihr Anliegen ist vorrangig, das vorhandene kreative Potenzial in der Begegnung mit den Menschen zu erkennen und zu fördern. Durch ihre Schulfreundin Elisabeth Rath trifft Hiltrud die Lyrikerin Christine Lavant (1915 -1973) – es entstehen Bilderzyklen zu Texten von Christine Lavant, z.B.: ‚Es riecht nach Schnee‘, ‚Wirf ab den Lehm – nimm zu an Hauch‘. In einer Einzelausstellung werden diese Bilder 1985 in der Wolfsberger Sparkasse in Kärnten, der Heimat Christine Lavants, gezeigt. Hiltrud übersetzt und würdigt die Lyrik von Christine Lavant in Malerei. Ein Zyklus mit Zeichnungen entsteht zum Wuppertaler Bronze-Brunnen ‚Die Wäscherinnen‘ der Bildhauerin Ulle Hees. In vielen ihrer Arbeiten zeigen sich ihre Wurzeln zur Bandwirkerei und zum Textilen. Sowohl die Eröffnungsausstellung als auch die Jubiläumsausstellung ‚30 Jahre Backstubengalerie‘ bestreitet sie gemeinsam mit der Galeristin Christine Ostermann. Die Galerie ist regelmäßiger Künstlertreffpunkt in der Elberfelder Schreinerstraße auf dem Ölberg, ganz in der Nähe ihres ehemaligen Elternhauses. Mit vielen Künstlerkollegen ist Hiltrud im lebendigen Austausch. Sowohl innerhalb des BBK (Bundesverband Bildender Künstler) als auch außerhalb pflegt sie ein dichtes Künstler-Netzwerk. Mit einer kleinen Gruppe von BBK-Künstlern reist sie 1994 nach Saint-Étienne, um gemeinsam mit den französischen Künstlern eine Gemeinschaftsausstellung zu bestreiten. Später übernimmt sie im BBK Bergisch Land für neun Jahre den Vorsitz. Langjährige intensive Zusammenarbeit verbindet sie u.a. mit dem Paul Klee-Schüler Paul Weisshuhn und mit dem Beuys-Schüler Karl Armbrust. Austausch und Zusammenwirken verbindet sie u.a. auch mit Pini (Christin Coqui), Ernst-Gert Jentgens, Martin Warlies und mit den Mitgliedern der verschiedenen Ateliergemeinschaften – z.B. ist sie entscheidend bei der Gründung der Künstlergruppe ‚Werktor 3‘ die sich durch den Abriss der Industriehalle 2007 in ihrer ursprünglichen Konstellation, auflöst. Im selben Jahr gründet Hiltrud in den lichtdurchfluteten Räumen einer ehemaligen Schreinerei mit vier weiteren Künstlern die ‚Art-Werkstatt Langerfeld‘, ein neues Arbeitsatelier und ein weiterer Ort für ihre regelmäßig stattfindenden Kunstkurse. Seit Mitte der 90er Jahre engagiert sie sich in der ‚Bandfabrik – Kultur am Rand e.V.‘. Die ehemalige Bandwirkerei ist Kulturzentrum, Konzertsaal, Ausstellungsfläche … des Pfarrers, Freundes und Musikers Erhard Ufermann. Seit ca. 2005 kuratiert, ermutigt, unterstützt sie dort mit großem persönlichen Engagement die ausstellenden Künstler. Auch in der ‚Bandfabrik‘ stellt sie in Einzel- und Gruppenausstellungen aus. Mehrere Jahre bestreitet Hiltrud in der ‚Bandfabrik‘ mit zwei Künstlerkolleginnen die ‚Bergische Dröppelmina‘. Mit ihren Wurzeln in der Wuppertaler Nordstadt, mit ihrer rhetorischen Erfahrung und mit ihrem Talent macht sie die Mundart ihrer Heimat zum Erlebnis. Bei aller Anstrengung macht ihr das Unterrichten und die Begegnung mit Kindern und Erwachsenen viel Freude. Viele ihrer Schüler bezeichnen sie als Wegbereiterin für ihren persönlichen und künstlerischen Werdegang. Im Herbst 2019 konzipiert Hiltrud Meusel die Ausstellung: ‚Tanzende Sterne – Malerei, Zeichnung, Lyrik‘ mit den wichtigsten Arbeiten der letzten Jahre in den Räumen der Christengemeinschaft in Wuppertal. Der Untertitel der Ausstellung: ‚Es muß noch Chaos in uns sein, um einen tanzenden Stern gebären zu können‘ Friedrich Nietzsche „Zwischen den Polen von Gegensätzlichem und unterschiedlichsten Farbnuancen – in Verbindung mit der Stofflichkeit des Malgrundes entstehen meine Bilder: Spiegelbilder des Lebens. Mal dominiert die Farbe, mal die Linienstruktur – fast immer ist Lyrik Katalysator zum Griff nach dem Pinsel – auch bei den ‚tanzenden Sternen‘.“ Hiltrud Meusel … einer ihrer Leitsätze: ‚die leisen Kräfte sind es, die das Leben tragen!‘ Romano Guardini Im Januar 2020 ist Vernissage und die Ausstellung wird bis in den Herbst hinein verlängert. Ende Januar erleidet Hiltrud einen gesundheitlichen Rückschlag, erholt sich davon – ist aber durch die coronabedingten Einschränkungen im öffentlichen Leben doppelt getroffen und auf sich selbst zurückgeworfen. Ihre alte Katze stirbt in dieser Zeit, der junge Kater ‚Mythos‘ bleibt verschwunden – zu allen Tieren, Bäumen, Blüten und Pflanzen hat sie eine enge Bindung. Auch in dieser herausfordernden Zeit wirkt, liest, zeichnet, malt, musiziert sie weiter, ist neugierig, positiv denkend und behält ihre Fähigkeit aus ‚Nichts‘ etwas zu machen. Hiltrud ist immer offen und zugewandt – dieses Interesse kommt aus ihrer Wesensart – alles was das Zwischenmenschliche, das Wachsen und Werden beinhaltet, erspürt sie. Sie bringt die Bewegung, die Musik, den Tanz, das durch Licht oder Schatten Verzauberte, mit Farben oder Material aufs Papier oder auf die Leinwand … Bei ihren Lehrern nimmt sie Impulse für die Techniken auf – die Strahlkraft hat ihr Werk durch ihr Verbundensein mit der Natur, durch ihre Ruhe, durch ihre spontane Schaffenskraft und mit ihrem Mut. Sie bereichert und öffnet den Blick auf das Einzigartige, auf die Seele, auf das Wesentliche. DANKE MAMA |